Online ist anders!

Wenn Du Deinen gewohnten Arbeitsplatz plötzlich ins Netz verlagern musst, können Kleinigkeiten zu nervigen Hindernissen werden.
Das ist wie beim Autofahren, wenn Du plötzlich in einem Land mit Linksverkehr fahren musst. Du kannst zwar immer noch toll Auto fahren [nehme ich mal an], aber alles ist auf der falschen Seite, nur Geisterfahrer unterwegs.
In dem Zustand würdest Du vermutlich nicht mal die Fahrprüfung bestehen. Du musst üben und mit den neuen Bedingungen vertraut werden, damit Du Deine alten Skills voll einsetzen kannst. Und vielleicht lernst Du sogar was dazu und kannst danach noch besserer fahren.
Hier findest Du eine Menge Tipps und Überlegungen, wie Du Deine Meetings und Workshops gut auf die neuen Bedingungen einstellen kannst und schnell wieder bei Deiner alten Bestform bist. Suche Dir raus, was für Dich passt. Die oberste Direktive für Online Meetings gilt allerdings immer:

Regel #1: Habt Spaß, sonst wird es stressig!

 
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Dir fehlt der direkte Kontakt zu den TN, Audio und Video müssen Deine Freunde werden.

  1. Mit einem Headset bist Du besser zu verstehen als über das Laptop oder das Mikro an den Kopfhörern. Noise Cancelling eliminiert dazu noch alle Umweltgeräusche. Ein teures externes Mikrofon klingt nur so gut wie der Raum, in dem Du es aufstellst.
  2. Platziere die Kamera möglichst in Augenhöhe und dicht am Bildschirmrand. Drüber ist besser als drunter wegen der Doppelkinn- und Nasenloch-Bilder. Seitlich ist ungünstig, weil Du dann an den anderen vorbeischaust.
  3. Platziere die Kamera besser auf einem Stativ statt auf einem wackligen Monitor, sonst wird Deinen Gesprächspartnern vom Zusehen schlecht.
  4. Ein Fenster oder eine Lichtquelle direkt hinter kann stören, denn Du sitzt im Dunklen und Dein Gesicht ist schwerer zu erkennen.
  5. Ein komplett weißer Hintergrund wirkt bei einer längeren Session ganz schön monoton, vielleicht findest Du noch ein schönes, ruhigeres Poster oder etwas zum Hinstellen.
  6. Manche Tools bieten künstliche Hintergründe an, sogar mit Video, Du kannst auch eigene Pics oder Grafiken hochladen. Verzichte darauf, falls die Software Dich schlecht ausschneidet und der Hintergrund bei Bewegungen von Dir wie auf dem Holodeck durchkommt. Es wird dann auch schwierig, etwas in der Kamera zu zeigen. Probiere es aus.
  7. Räume Dein Zimmer auf., es müssen ja nicht alles sehen, was bei Dir so rumliegt oder auf dem Schrank verstaut ist.
  8. Mit einem zweiten Bildschirm behältst Du den Blickkontakt zur Gruppe, wenn ein Bildschirm geteilt wird oder Du etwas suchen oder vorbereiten willst.
  9. Stelle den zweiten Bildschirm neben Deinen Laptop, nicht darunter, die Laptopkamera nimmt Dich sonst aus einer sehr ungünstigen Perspektive auf [Extreme Doppelkinn- und Nasenloch-Bilder].
  10. Wenn Du mit zwei Bildschirmen arbeitest und ein Whiteboard benutzen willst, dann probiere aus, auf welchem Gerät Dein Videotool laufen muss, damit Du auf dem Tablet mit dem Whiteboard arbeiten kannst und alle auch alles sehen können.
  11. Sitzen oder Stehen? Sitzen macht Dich zu bequem. Wenn Du stehst, kannst Du besser atmen und Dich besser fokussieren. Du bist aktiver, beweglicher, kannst damit auch besser nonverbal kommunizieren und hast einen besseren Kontakt zu den TN. Ein großer, stabiler Karton oder eine Platte auf zwei Bierkästen auf dem Schreibtisch, Decke drüber, das sollte für eine Session reichen. Abwechslung ist auch hier das Beste.
  12. Verzichte auf einen Drehstuhl, der macht Dich unkonzentriert und das Publikum nervös.
  13. Überprüfe bei einem analogen Protokoll die Lesbarkeit: Ist das Flipchart auf Deinem Screen lesbar? Was ist davon noch bei den TN übrig? Kannst Du eine zweite Kamera für Dokumente nutzen? Bei geringer Bandbreite wird ein Videobild schlechter, ein geteiltes Whiteboard bleibt gleich.

Mit den neuen Tools, mit der Technik und der ganzen Situation fühlst Du Dich noch unsicher? Das nimmt Dir als Moderator oder Workshopleiterin die sonst gewohnte Souveränität im Umgang mit dem Thema und der Gruppe. Wenn dann noch technische Probleme auftauchen, wird es eng.

  1. Trainiere die neuen Tools mit Deinen Co-Hosts, bis sich alle sicher fühlen und flexibel damit umgehen. Video-Tutorials auf den Supportseiten der Tools oder bei YouTube können Dir dabei helfen.
  2. Reduziere die Zahl der Tools, insbesondere wenn Du sie parallel nutzen willst. Weniger Bälle in der Luft – mehr Sicherheit.
  3. Online hat auch einen Vorteil. Niemand sieht, wenn Du Dir Spickzettel an den Monitor klebst, um die wichtigsten Shortcuts schnell zur Hand zu haben.
  4. Die Technik kann auch Deine TN überfordern. Wenn sie mit den Tools noch nicht so vertraut sind, kannst Du kurze Anleitungen zum Handling der Basics schreiben oder passende Videos verlinken.
  5. Plane Zeit für ein Technik-Training mit den TN ein oder mach eine separate Session zu einem einfachen Thema [Arbeit oder Freizeit].
  6. Bereite Breakout-Räume, Whiteboards und andere Tools für Dokumentation und Kollaboration rechtzeitig vor, aktiviere sie und ermögliche einen einfachen Zugriff auf die Links.
  7. Bereite Umfragen rechtzeitig vor, teste Technik und Inhalt selbst und mit anderen, auch auf unterschiedlichen Geräten.
  8. Notiere Dir die Einstellungen zur Konfiguration Deiner Sessions: Video & Ton – on oder off, Video-Sprecher-Einstelllungen, Sicherheitseinstellungen …
  9. Teste, welche Tools am besten Deine Anforderungen erfüllen.
    Beispiel Umfragen: menti.com / mentimeter.com bietet schönere Grafik, elegantere Handhabung und spannendere Auswertungsmöglichkeiten als Zoom. Aber das Umblättern von Frage zu Frage muss der Host steuern.
    Beispiel Recording: Viele Video-Tools bieten diese Funktion, auf manche Videos kannst Du aber erst zugreifen, wenn die Session zu Ende ist und das Video in der Cloud konvertiert wurde. Bei manchen externen Recordern kannst Du sofort drauf zugreifen, schon in der Session.
  10. Wenn die Beschäftigung mit den Tools mehr Zeit kostet als die Arbeit mit dem Inhalt, ist es an der Zeit, innezuhalten und wieder auf einfachere Techniken zurückzukommen. Offline ist eine Meinungsabfrage am Handy eine willkommene und lustige Unterbrechung. Wenn Online alles digital ist, dann sind die alten händischen Tools die willkommene Auflockerung. Nicht alles was digital geht, musst Du auch digital machen.
  11. Es muss vielleicht nicht alles digital sein, nur weil es geht. Mit handschriftlichen Protokollen an Flipchart oder Whiteboard gibst Du den TN ein wenig von der vertrauten alten Welt zurück. Es muss nur lesbar sein [Handschrift, Kameraeinstellung, Übertragungsqualität].
  12. Auch Abfragen zu Stimmung oder Entscheidungen gehen in kleineren Gruppen analog, mit Daumen, Farbkarten, Propability Cards [99, 95, 80, 50, 20, 5,1], Fist Vote…
  13. Setze die Tools so ein, dass die TN deren strukturierende oder befreiende Kraft erleben können. Lässt sich das nicht erleben, dann suche nach einer besseren Methode.

Geh Deine Last Minute – Checkliste durch. Piloten machen das auch, und die fliegen jeden Tag.

  1. Du hast rechtzeitig die Einladungsmail mit allen relevanten Links und Infos verschickt, vielleicht auch einen Link zu den anderen TN?
  2. Teste Deine Technik vor Beginn nochmal, überprüfe die Konfiguration.
  3. Hast Du eine Notfallkarte griffbereit, mit Themen und Links zur Überbrückung von organisatorisch oder technisch bedingten Wartezeiten: Musik, Cartoons, Videos, YouTube-Links, Parts die Du vorziehen kannst, Themen für den Small Talk… ? So sind die TN beschäftigt und Du kannst Dich um Dein Problem kümmern.
  4. Wie hast Du für störungsfreie Zeit gesorgt? [Telefon aus oder leise stellen, Benachrichtigungen von anderen Apps aus, Schild an der Zimmertür ‘Bin bis … auf Sendung’, Instruktionen an die Kinder …]
  5. Kleben Deine Spickzettel am Monitor?
  6. Liegen Deine Collaboration Cards griffbereit [Communication.Camp/Collaboration-Cards/]
  7. Hast Du eine Info-Tafel, falls Du doch noch mal weg musst, der Meetingraum aber schon offen ist?
  8. Hast Du Dir eine Teilnehmerliste ausgedruckt?
  9. Wie heißt Deine Einstiegsfrage für den Small Talk?
  10. Du hast Small Talk- oder Spiel-Themen für die Pausen?
  11. Ein letzter Blick in den Spiegel. Liegen die Haare, sitzen die Klamotten. [Zieh eine Hose an, falls Du etwas holen musst oder DHL an der Tür klingelt.]

Psychologische Sicherheit ist die wichtigste Voraussetzung für offene und kreative Diskussionen. Der erste Schritt ist, sich besser kennenzulernen: Wer sind die anderen, wie geht es ihnen und wie passe ich da rein? Falls Ihr Euch schon alle kennt, müsst Ihr trotzdem für die Situation wieder zusammenkommen. Alle waren bis kurz vorher mit ganz anderen Themen beschäftigt, emotional sehr unterschiedlich unterwegs. Gib Zeit zum Reinkommen. Small Talk ist mehr als ein lustiger Pausenfüller!

  1. Du bist als Host schon vorher da und bereit zum Empfang Deiner TN mit Small Talk.
  2. Du hast Themen vorbereitet, aus Arbeit oder Freizeit, ernsthaft oder lustig, Quatschthemen, 1-Wort-Assoziationsübungen, Witze erzählen lassen, Lieblingsgerichte, regionale Feiertags-Traditionen, das schlimmste Erlebnis mit Technik, eine nicht arbeitsbezogene Eigenschaft, Leidenschaft, ein verrücktes Erlebnis.
  3. Wenn Du als Host damit anfängst, gibst Du mit Deinem Beispiel vor, wie lustig oder seriös, verrückt oder konservativ, wie kurz oder umfangreich es werden soll.
  4. Du kannst Das Wort gezielt verteilen, der Reihenfolge auf Deinem Bildschirm folgen, jemand fängt an und gibt den Talk-Stick selbst weiter, wem was einfällt, der fängt an [Popcorn-Prinzip.
  5. Arbeite auch beim Check-in mit einer Time Box, schnell ist sonst eine halbe Stunde verquatscht. Wenn die Zeit nicht für alle reicht, mach es kürzer oder gehe gleich mal in Kleingruppen. Das ist besser als einige auszuwählen. Mach die Uhr sichtbar, damit sich alle die Zeit einteilen können!
  6. Für das Check-in und zum Small Talk kannst Du auch einen Technik-Check machen, die Collaboration Cards vorstellen, alternative Handzeichen verabreden oder ein paar Kommunikationsregeln verabreden.
  7. Erläutere zu Beginn Thema, Rollen, Ablauf und Zeitrahmen, stelle den Plan mit allen nötigen Links und Kontakten auch auf einem Board zum Nachschauen ein, einschließlich Notfall-Telefonnummer, falls jemand aus der Session rausfliegt. Kläre offene Fragen.
  8. Gib allen zu Beginn die Möglichkeit, Erwartung, Thema oder Problem mit einem Satz vorzustellen. [Timeboxing] Wer sich einbringen kann, ist für die anderen sichtbar geworden. Dich und Deine Erwartungen bringst Du genauso ein.

Was im physischen Meeting gerade noch geklappt hat, fällt Dir Online vermutlich auf die Füße: Zu lange Intros, komplizierte Theorie, fachsprachliche Überforderungen, kaum Spannung, kein Bezug zur Praxis, wenig Übungen, kein Lerntransfer …

Du kannst Deinen Workshop nicht 1:1 digital umsetzen, das macht keiner mit. Das neue Format braucht eine eigene Klarheit, Lernlogik und Struktur.

  1. Breche die Themen in kleinere Abschnitte auf, differenziere in Selbststudium, Diskussionen zum Austausch und zur Vertiefung, Gruppen- und Einzelarbeit für das individuelle praktische und praxisnahe Verständnis, Quiz-Fragen zum Wissenscheck… Wofür ist die Online-Präsenz sinnvoll, was geht alleine oder in selbstorganisierten Kleingruppen besser?
  2. Baue übersichtliche Folien mit beeindruckenden Bildern, anschaulichen Grafiken und prägnanten Kernsätzen.
  3. Folien sind nicht zum Vorlesen da, das können die TN schneller als Du. Folien sind zum Strukturieren des Inhalts und zum Hervorheben von Schwerpunkten und Kernaussagen, für Fragestellungen und TN-Aufgaben. Reduce to the Max!
  4. Gliedere Deine Materialien übersichtlich. Hebe Überschriften hervor. Verwende lieber Aufzählungen statt Bullet-Points, damit einzelne Aspekte präzise angesprochen werden können.
  5. Wenn Dein Vortrag und die Arbeitsmaterialien dieselbe klare Struktur aufweisen, dann hilft das den TN beim Verständnis.
  6. Sollen die TN etwas lesen oder Tests machen, dann schicke ihnen rechtzeitig entsprechendes Lesematerial oder die Links. Die Selbststudienzeit ist Workshopzeit, berücksichtige das bei der Tagesplanung.
  7. Fang mit dem Lerntransfer schon im Workshop an. Du würdest viele Lernmomente verschenken, wenn die TN erst danach darüber nachdenken, wie sie das Erlernte in die Praxis umsetzen können.

Die ganze Zeit monoton und bewegungslos am Tisch zu sitzen und im immer gleichen Abstand auf den Monitor zu starren, das ermüdet die Augen, ist körperlich und mental anstrengend. 

Es gibt keine Möglichkeit, den Blick mal durch den Raum schweifen zu lassen, sich die Reaktionen der anderen anzuschauen oder mal kurz mit jemand zu quatschen. Man kann nicht mal zuordnen, wen jemand gerade so intensiv anschaut, man kann auch nicht zurücknicken – eine sehr ungewohnte Gesprächsatmosphäre.

Wer keinen Bock [mehr] hat, kann gedanklich und physisch aussteigen. Außerhalb des Blickfelds der Kamera lässt sich nebenbei viel erledigen – Mails checken oder parallel etwas anderes bearbeiten. die Sozialkontrolle durch die Gruppe fehlt.

Online ist anstrengend, kümmere Dich um eine abwechslungsreiche Veranstaltung.

  1. Steige in das Thema über praktische Beispiele ein, die den TN unter den Nägeln brennen. [Mind opener]. Gehe vom Bekannten zum Unbekannten, vom Vertrauten zum Neuen, von der Praxis zur Theorie und wieder zurück.
  2. Die Geschichte hinter der Geschichte, der Theorieblock, die Historie eines Projekts interessieren erst dann, wenn die Geschichte selbst interessiert. Streiche die langatmigen Einführungen zu Gunsten eines knackigen Einstiegs mit einer praktischen oder ungewöhnlichen Fragestellung oder einer provokativen Aussage. Überlebenswichtig wird das, wenn die TN glauben, das Thema sei für sie irrelevant.
  3. Mit Perspektivwechseln kannst Du die TN gut aktivieren, Mainstream-Themen schaffen das nicht unbedingt.
  4. Mach Dir Gedanken über Spannungsbögen im Inhalt und über den sinnvollen Wechsel von Input, Abfragen, Übungen, Aufgaben und Reflektionen in Kleingruppen und Plenum. Aber zu viele Tools können auch überfordern.
  5. Bei Präsentation von Folien oder Dokumenten nerven hüpfenden, irrlichternden oder zitternde Pfeile. Hervorhebungen in der Präsentation und einfache Animationen sind viel besser – es geht nicht um Kunst, sondern um Wirkung und Verständnis.
  6. Lass die TN über den Fortgang der Veranstaltung, Methoden oder Themen entscheiden: Problemauswahl, Vorgehensweise, Zusammensetzung und den Wechsel der Teams bei Gruppenarbeiten … 
  7. Mit der für Dich üblichen informellen und lockeren Sprache stellst Du Nähe her und förderst die Gesprächsbereitschaft. Formelle Sprachmuster distanzieren und ermüden, blockieren die Spontanität und den freien Gedankenfluss.
  8. Frage öfter ab, wie es den TN geht, ob alle mitkommen und der Weg der richtige ist

Online ist anstrengend, kümmere Dich um ausreichende und regenerierende Pausen.

  1. Mache insgesamt kürzere Sessions, 45-50 Minuten Session, 15-10 Minuten Pause.
  2. Plane mehr Zeit für die Pausen ein. Offline gehen die Diskussionen auf dem Weg vom Gruppenraum ins Plenum oft weiter, oder man reflektiert oder regeneriert kurz. Streiche diese Zeit nicht komplett, nur weil keine Wege zurückzulegen sind. Eventuell kannst Du durch neue Breakout-Räume den Austausch quer zu den Gruppen ermöglichen.
  3. Die entspannenden Interaktionen in den Pausen fehlen. Organisiere Übungen für die Pausen. Dehnungsübungen, Schreibtisch-Yoga…, Musik animiert zu einer Tanzeinlage, Singen, eine Runde Fußball auf Haxball.io – was immer dem Team gefällt und sie in Bewegung und auf andere Gedanken bringt.
  4. Plane Quatscheinlagen für die Pausen – Pausenfilm. Spaziergang filmen. Russische Autokameras… Schaffe weitere Möglichkeiten zum Kennenlernen.

Du hast viele parallele Aufgaben: Das Thema spannend gestalten, die TN im Blick behalten, alle einbeziehen, protokollieren, die Technik steuern, den Zeitplan einhalten.
Sie Online wahrzunehmen ist anspruchsvoller, weil Du nicht immer alle TN im Blick haben kannst. Dir fehlt dadurch das Gefühl für den Raum und die Atmosphäre und Du merkst nicht, wenn jemand innerlich aussteigt. Den Überblick zu behalten wird schwierig. Organisiere Dir Hilfe!

  1. Überlege, wie Du Deine Rollen mit jemandem als Co-Host teilen kannst. Mach Diskussionsrunden mit Doppelmoderation, einer beantwortet die Fragen, der andere schaut auf die Reaktionen der TN. [Sind noch Fragen offen, waren die Antworten zufriedenstellend, war die Frage anders gemeint, geht es vielleicht um ein völlig anderes Thema, bekommt der Antwortende gerade nichts mehr mit?]
  2. Überlege, welche Rollen Du an die Runde abgeben kannst: Teile des Inputs, Moderation, Gruppenstimmung, TimeBoxer, Technik, Protokoll, Animateur für die Pausen. Welche Vorbereitung brauchst Du für die Vergabe der Rollen und die anderen, um sie erfüllen zu können?
  3. Frage die anderen Rollen am Ende ab, ob aus ihrer Sicht noch etwas übriggeblieben ist.
  4. Plane mehr Zeit für die Themen ein, falls Schwierigkeiten bei der Vermittlung auftreten.
  5. Gib Orientierung. Zeige immer wieder an, welchen Punkt des Gesamtkonzepts Du gerade bearbeitest, wie es weiter geht und warum Du das so machst.
  6. Aktiviere die TN über rhetorisch-strukturierende oder echte Fragen, führe sie so durch das Thema, animiere sie zum Mitdenken.
  7. Stelle keine Kinder-Quizz-Fragen, die nerven ja schon offline.
  8. Spiele Deine klar formulierten Fragen über den Monitor ein, dann haben die TN sie immer vor Augen.
  9. Mache Dir Gedanken, welche Methoden und Übungen am besten zum Lernziel passen. Immer ‚1-2-4-Alle‘ ist auch langweilig, es gibt viel mehr interessante Methoden bei LiberatingStructures.de, DesignThinking & Co. Entscheidend ist, dass alle beteiligt werden, sich alle beteiligen können und dass der Einfluss formeller und informeller Strukturen eliminiert wird.
  10. Unterscheide die Methoden nach Ideenfindung und Entscheidungsfindung.
  11. Du kannst einzelne TN gezielt ansprechen, statt zu warten, bis sich jemand rührt.
  12. Halte das Schweigen als Reaktion auf eine Frage aus, töte es nicht durch noch mehr Informationen. Entweder Du störst die TN beim Nachdenken oder Du redest an ihnen vorbei. Frage lieber, was den TN gerade durch den Kopf geht, was ihnen die Beantwortung schwer macht.

Lebendig und inspirierend zu sprechen ist hohe Schule. Das wird nicht einfacher, wenn Dir das lebendige Publikum und seine spontanen Reaktionen vor der Nase fehlen.

  1. Wenn Du Input geben willst, dann in einem Gesprächs-Dialog-Modus. Den erreichst Du, wenn Du wie im normalen Workshop den Blickkontakt zu den TN hältst und mit ihnen diskutierst. Das ist für beide Seiten angenehmer.
  2. Denke vorher über die Fragen nach, die sich Deine TN stellen und stellen müssten und mache daraus einen Frage-Antwort-Konzept. Daraus wird ein rhetorischer Dialog, Deine Stimme bekommt einen guten Klang und Deine Sprache eine anziehende Dynamik.
  3. Bei spontanen Zwischenfragen kannst und sollst Du laut nachdenken, egal wohin Du dabei blickst. Sonst geht Dein Blick in die Kamera. Wenn Du willst, nimm Dir einen Smiley, mach in der Mitte ein Loch und steck ihn auf die Kamera. Dann lächelst Du auch.
  4. Für Introvertierte könnte es noch schwieriger werden, sich einzubringen, sowohl fachlich als auch informell. Der Gedanke an eine Videoaufzeichnung kann das eigene Engagement auch blockieren. Spreche sie gezielt an und frage nach ihren Gedanken.
  5. Beherrschst Du die Kunst, Fragen zu verstehen und zu beantworten? Was wollte der andere wirklich wissen? Dabei hilft es, die Frage laut mit eigenen Worten zu wiederholen und zu checken, ob es so gemeint war.
  6. Schweigst Du, weil Du auf Deine Chance wartest, etwa zu sagen, oder weil Du zuhörst, um etwas zu verstehen?
  7. Fokussiere Dich auf die Lösung statt auf das Problem, auf die Optimierung statt um ein Feedback, auf den Prozess statt auf den Fehler eines Menschen. Schau nach vorne statt nach hinten.
  8. Du kannst nie gleichzeitig für den Gesprächsprozess und dessen Ergebnis verantwortlich sein. Online kann das noch schwieriger werden, weil das Raumgefühl für die Gruppe fehlt, das alles-im-Blick-haben. Gruppendynamik, Stimmung und Pausenbedarf sind schwerer einzuschätzen. Suche Dir einen Co-Host und bespreche die Verteilung der Aufgaben.
  9. Es ist schwieriger, aufkommende Konflikte zu erkennen und es ist schwieriger damit umzugehen, wenn sie ausgebrochen sind, umso mehr, wenn die Kommunikations-, Leistungs- und Fehlerkultur das behindern. Lass Dich nicht hineinziehen, online erst recht nicht. Eine Lösungsidee siehst Du nur von der Metaebene, Trenne den aktuellen Auslöser vom dahinter liegenden Konflikt. Suche die Ursachen der Emotionen und ignoriere zunächst die Form der Auseinandersetzung.

Online passiert in Bezug auf Führung, Kommunikation und Konflikte nichts, was nicht auch schon vorher latent da war. Die persönliche Nähe und die soziale Kontrolle in der Gruppe hat den deutlichen Ausbruch vielleicht nur verhindert. Jetzt macht manche der Kontrollverlust in Bezug auf die Arbeit reizbarer, andere werden es durch die ungewohnte Situation. Sie reagieren dann dünnhäutiger, schneller, heftiger.

  1. Wähle die Tools so aus, dass sich möglichst alle sehen können. Vielleicht hilft es, kleinere Gruppen zu machen. Macht die Kamera an, das ist nur fair.
  2. Das generelle Muten ist sinnvoll, so kehrt Ruhe ein und es wird verhindert, dass ein Husten oder Papierrascheln jedes Mal die Monitoransicht wechselt. Wer sprechen will, schaltet sein Mikro ein. Andererseits blockiert das generelle Muten spontane Reaktionen. Wenn ich erst eine Taste drücken muss, um was zu sagen – und dann klappt das vielleicht nicht mal sofort – dann ist der passende Moment vorbei und der Spaß am Einwurf auch.
  3. Kurze Seitengespräche zwischen den TN gehen nur über Chat. Ermuntere sie, das Tool aktiv zu nutzen, manche brauchen eine zweite Meinung, bevor sie sich äußern oder klären eine Verständnisfrage lieber im Stillen.
  4. Auf den virtuellen Post-its stehen meist nur Stichworte. Die helfen nur der Erinnerung, um 10 Minuten später etwas darüber zu sagen. Zur Dokumentation sind sie in der Regel völlig ungeeignet. SPO ist die Lösung: Subjekt, Prädikat, Objekt. Zu einer Handlung gehört eine handelnde Person und ein Handlungsziel, ein Gegenstand. Statt ‚Qualität’ wäre besser ‚Wir müssen bis X die Qualität von Y um Z% verbessern.‘ Damit kann man auch nach einem Jahr noch etwas anfangen.
  5. Die TN können schneller lesen als vorlesen. Achte bei Gruppenarbeiten auf eine saubere schriftliche Zusammenfassung, teile sie, lass die TN selbst lesen und diskutiere dann über Schwerpunkte sowie die daraus entstehenden Fragen.
  6. Mit einem ergebnisorientierten Stil können die TN ihr Fragen sehr sachbezogen und viel schneller klären. Ein Nebeneffekt: Ihr hört Euch aufmerksamer zu und werdet achtsamer, respektvoller im Dialog. So solltet Ihr dann auch offline weitermachen.
  7. Die Zeit und der Weg zwischen der Gruppenarbeit und dem Austausch im Plenum fällt weg, weil das Tool einfach von einer auf die andere Sekunde umschaltet. Mit einer längeren Rückkehrzeit und Pausen-Breakout-Räumen gibst Du den TN Gelegenheit für ihre individuelle Reflektion oder ‚einen Schwatz beim gemeinsamen Kaffee‘.

Was im Offline-Training problemlos geht, kann bei verteilten Räumen ungeahnte Schwierigkeiten mit sich bringen.

  1. Videos schauen sich alle TN besser gleichzeitig einzeln auf YouTube oder in der Cloud an als im Stream vom Host.
  2. Wenn Du Gesprächsübungen aufzeichnen und zur Auswertung zurückspielen willst, brauchst Du einen einfach zu bedienenden Screen-Recorder, der sofort nach der Aufnahme auf Widergabe schalten kann und nicht erst nach dem Ende der Session. Derjenige mit der besten Upload-Bandbreite sollte dann die Aufnahme machen.
  3. Die Vorbereitung von Materialien in den Tools dauert länger als händisch etwas auf ein Flipchart zu schreiben oder ein paar Post-its beschreiben und ankleben zu lassen
  4. Im Workshop kannst Du schnell mal noch ein Papier austeilen, das kostet remote eher Zeit. Bereite alles rechtzeitig vor und schick das Dokument vorher rum. Aber nicht jeder liest gern elektronisch und hat einen Drucker zu Hause.

Du kannst ergebnisoffen in ein Meeting hineingehen, solltest aber immer mit einem Ergebnis hinausgehen.

  1. Plane für das Check out genug Zeit ein. Lass die Ergebnisse zusammenfassen, mit den Erwartungen vergleichen und Konsequenzen formulieren.
  2. Frage nach dem persönlichen Benefit der TN.
  3. Hole Dir Feedback ein:
    1. Was habt Ihr für Euch mitgenommen?
    2. Wie gut war die Session auf einer Skala von 1-5?
    3. Was kann ich tun, was können wir tun, um beim nächsten Mal auf eine 5 zu kommen?
  4. Setze den Lerntransfer mit obligatorischen Nachbereitungs-Sessions und parallelen, selbstorganisierten Lern-Gruppen fort.

Dir ist noch ein Punkt eingefallen, den ich ergänzen soll? Bitte, gerne!

Üben ist natürlich noch besser. Such dir Leute, denen es geht wie Dir und die mit Dir zusammen in einer sicheren Umgebung ausprobieren wollen, wie sie ihre bisherigen Konzepte am besten online umsetzen können. Wir unterstützen Dich dabei gerne.

Gute Meetings wünscht
Mr. Columbo@ConradGiller / Communication.Camp

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